Kaffeekultur wird in Tokio in den Kissaten, den traditionellen japanischen Kaffeehäusern, aber auch in angesagten Kaffeebars zelebriert.
Wie die Ausgabe 1/2016 des Magazins Crema schreibt, ist die Vielfalt in der Tokioter Kaffeehausszene derart groß, dass man durchaus von einer der Hauptstädte des schwarzen Getränks sprechen kann. Häufig zum Einsatz kommen dabei Filter aus Keramik oder Glas von Hario. Die Besonderheit sind die große Öffnung, durch die der Kaffee in die Kanne oder Tasse fließt und die Spiralrippen, die für maximale Extraktion sorgen. Handgefilterter Kaffee erlebt zurzeit weltweit eine Renaissance und ist die beliebteste alternative Zubereitungsart der dritten Kaffeewelle (Third Wave Coffee), beliebter als Frenchpress, Chemex- oder traditionelle Bayreuther Kanne und AeroPress. Auch bei uns im Brühwerk kann man die Filter und Kannen des japanischen Herstellers finden.
Tokio war viele Jahre beim Thema Kaffee nicht wirklich der Trendsetter. Mittlerweile gibt es aber eine Vielzahl von Baristas und Kaffeetrinkern, die von den Entwicklungen in aller Welt beeinflusst wurden. Es gibt viele Third Wave Bars, die in Hinterhöfen oder oberen Stockwerken der Häuser, zum Beispiel im Shopping- Viertel Omotesando entstanden sind. Auch “Blue Bottle Coffee”, eine Kaffeekette die ihren Ursprung im sonnigen Kalifornien hat, betreibt mittlerweile zwei Filialen in der japanischen Hauptstadt. Aus Neuseeland kommt “Mojo” und der australische Barista-Weltmeister Paul Basset hat ebenfalls ein Geschäft im Land der aufgehenden Sonne.
Trotzdem wird in Japan bis heute mit Abstand der meiste Kaffee in Dosen verkauft und konsumiert. An jeder Straßenecke und in jeder U-Bahnstation stehen Automaten, aus denen man sich heißen und kalten Dosenkaffee ziehen kann. Man findet in Tokio aber auch seit Jahrzehnten ganz besondere Kaffeebars, die schon vor der Third Wave Filterkaffee zelebriert haben. Die meisten verstecken sich in Seitenstraßen, sind oft fensterlose Orte voller Zigarettenqualm, in denen nicht nur Kaffee getrunken wird, sondern stundenlang diskutiert oder Zeitung gelesen. Der Kaffee wird von Hand gebrüht und mit viel Zeit, Liebe und Muße zubereitet. Viele Kissaten sind aus dem Stadtbild verschwunden, aber die Welle der neuen Kaffeetrends sorgt nun für das Überleben derjenigen, die bis heute durchgehalten haben.
Bei Satei Hato, einem tokioter Barista um die Ecke der Shibuya Station zum Beispiel, wird der Rohkaffee zwischen drei Jahren und mehreren Jahrzehnten gelagert, bevor er dann geröstet und innerhalb einer Woche verbraucht wird. Gebrüht wird er relativ grob gemahlen und nicht mit einem Filter, sondern einem kleinen Sack. Die Zubereitung wird dabei regelrecht zelebriert und braucht ihre Zeit. Ich würde ihn gerne einmal auf die Third Wave Coffee ansprechen und um seine Meinung bitten.
Seit 1946 gibt es das “L’Ambre”, eine Institution unter Tokios Kissaten, das bereits durch ein Schild an der Eingangstüre stolz verkündet, dass es drinnen “ausschließlich Kaffee” gibt. Der Kaffee wird dabei dunkler geröstet, als es bei der Thrird Wave üblich ist, aber immer noch heller als bei den meisten italienisch angehauchten Röstereien Mitteleuropas. Ichiro Sekiguchi brüht hier hochkonzentriert mit Kupferkessel und Messingkanne.
Die neue Generation von Baristas vertritt Masahiro Onishi, der das Rösten in Melbourne, einer dar Kaffeehauptstädte der Welt, gelernt hat und in seinem Laden “Switch-Coffee” Kaffee für Handfilter und Frenchpress röstet, verkauft aber auch ausschenkt. Der Laden liegt etwas abseits der Touristenpfade, nördlich der Metrostation Nakameguro, wo man nebenbei in den edlen Boutiquen shoppen kann.
Der berühmteste Espresso wird von Katsu Tanaka zubereitet und ausgeschenkt. Er verdiente sein Geld viele Jahre in den USA und beschloss irgendwann, sein eigenes Café im Bezirk Shimokitazawa zu eröffnen, das “Bear Pond Espresso”. Seitdem serviert er jeden Tag zwischen 11 und 13 Uhr maximal 20 Portionen seines “Angel-Stain-Espresso”, einem besonders dickflüssigen Extrakt, für das er manchmal 3 Anläufe benötigt und solange probiert, bis er zufrieden ist.
Es gibt in Tokio natürlich auch typische Espressobars, wie zum Beispiel das “Ometesando Koffee” im gleichnamigen Stadtviertel. Hier ist Kaffeebrühen ein Ritual, bei dem jeder Millimeter, jede Bewegung und das Ergebnis in der Tasse stimmen. Man befindet sich im vielleicht bestaussehenden Kaffeeladen der Stadt, der eine Oase an Zen-artiger Ruhe und Entspannung mitten in einer der belebtesten Shopping-Gegenden Tokios ist – es sei denn, es stehen lange Schlangen wartender Gäste vor der Türe. Leider hat das Ometesando Koffee mitlerweile geschlossen.
Ein Problem gibt es dabei in Tokio, wie in allen Städten der Welt: Der Kaffee hält nicht immer, was das Marketing, die Location oder der hippe Barista verspricht. Ometesando-Barista Takamasa schätzt, dass von den hunderten neuen Third-Wave-Kaffeehäusern vielleicht 20 wirklich guten Kaffee ausschenken. Aber das liegt vielleicht an der Eigenart des meiner Meinung nach überschätzten Themas: das Ergebnis soll ein goldener Kaffee mit klaren Aromen und minimalem Körper sein. Mit einem Espresso, der wirklich ein “Extrakt” dessen ist, was eine Kaffeebohne hergibt, hat dies leider nur wenig zu tun.
Quellen:
- Crema-Magazin Februar/März 2016 www.cremamagazin.de
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